Experte und Betriebsleiter bestätigen: Die Bewirtschaftung ist nicht naturnah

Nach den Vorgaben des Kantons Aargau müssen Staatswälder naturnah bewirtschaftet werden.

Die Frage ob die Eingriffe des Forstbetriebs Homberg-Schenkenberg (1998 – 2014) im Staatswald Densbüren die Kriterien für die naturnahe Bewirtschaftung erfüllen oder nicht, haben die kantonalen Amtsstellen bis heute nicht konkret beantwortet. Offen ist auch die Frage, was der Kanton Aargau (Steuerzahler) für die „Bewirtschaftung“ des Staatswaldes Densbüren bezahlt.

Der erfahrene Forstingenieur Richard Stocker beurteilte 2015 die unübersehbaren Flächenhiebe im Staatswald Densbüren (Beilage 1). Er schreibt von einer „Verluderung der Sitten“ und von der Abkehr der (bisherigen) Vorbildfunktion in Staatswäldern. Aus dem Text kann geschlossen werden, dass das Vorgehen des Forstbetriebs Homberg-Schenkenberg nicht den Prinzipien des naturnahen Waldbaus entspricht und dass der Kanton seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist.

Interessant ist die Reaktion des Betriebsleiters: Er beklagt und verwehrt sich heftig gegen eine Kritik aus Forstkreisen. Er gibt dem Experten gegenüber zu, dass er nie behauptet habe, diese Art der Forstwirtschaft sei „naturnah“.

Damit verstiessen der Betriebsleiter und die Betriebskommission des Forstbetriebs Homberg-Schenkenberg nicht nur gegen kantonale Vorgaben, sondern gegen den eigenen Gemeindevertrag (2008):

§ 1 Zweck (Auszug aus Gemeindevertrag):

„Die Waldungen der Vertragspartner werden gemäss Vorgaben der Waldeigentümer nach forstlich modernen, ökologischen und ökonomischen Grundsätzen bewirtschaftet. Grundlage bilden die Prinzipien des naturnahen Waldbaus und die umfassende Nachhaltigkeit aller Waldfunktionen“.

Schön wäre es, wenn es im Wald so wäre, wie es im Vertrag beschrieben ist.

Die Bilder und die Schäden im Wald sprechen eine andere Sprache. Es ist schon ganz erstaunlich, was sich ein Forstbetrieb heute alles erlauben kann.

Beilage 1 Gutachten Stocker

 


Text des Gutachtens:

 

Naturnaher Waldbau im Staatswald Densbüren?

Seit geraumer Zeit findet in gewissen Aargauer Medien ein Schlagabtausch zwischen Heiner Keller, Biologe aus Ober-Zeihen und Revierförster Rolf Treier, vom Forstbetrieb Homberg-Schenkenbergertal statt. Da es sich beim Disput um mehrere grossflächige Hiebe und andere „Vergehen“ im Staatswald auf dem Gemeindebann von Densbüren handelt, ist der Oberförster bzw. die Abteilung Wald des Kantons Aargau durch die Kritik unmittelbar mitbetroffen.

Die Problematik, welche von Keller angesprochen wird, ist nicht nur eine lokale Angelegenheit, sondern betrifft generell den heutigen Umgang mit dem Wald in der ganzen Schweiz. Bedingt durch die seit den 90-er Jahren gesunkenen und immer noch sinkenden Holzpreise haben sich bei der Nutzung und Pflege der Wälder da und dort augenfällig grobianische Sitten eingeschlichen. Kellers Kritik betrifft ganz allgemein den Umgang mit der Natur im Wald. Nachfolgend werden wenige Kritikpunkte herausgegriffen und diskutiert.

Die grossflächigen Hiebe bezeichnet Keller als Kahlschlag und als nicht naturnahes Vorgehen. Es ist müssig darüber zu streiten, ob es sich im Staatswald Zeihen um Kahlschläge im Sinne des Gesetzes handelt oder nicht. Wichtiger ist, ob solche grossflächigen Hiebe zu Gunsten von naturschützerischen Zielen sinnvoll sind, und ob es sich um ein naturnahes Vorgehen handelt, wie der Förster und die Kantonsvertreter meinen. Grossflächige Hiebe sind es dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, Freilandverhältnisse geschaffen werden.

Um dies im Falle des Staatswaldes Densbüren exemplarisch zu beurteilen, müssen verschiedene Fakten beleuchtet werden. Wie die Stürme Vivian, Lothar, Wiebke etc. zeigten, schafft die Natur selber grosse Freiflächen. Nur bleibt dabei das Holz liegen. Die zufällig noch stehenden Bäume der Oberschicht und des Nebenbestandes bleiben stehen. Die Fläche wird weder von schweren Holzerntemaschinen noch von Maschinen zur Räumung der Äste befahren. Die aufkommende standortsheimische Naturverjüngung wächst, wie Venus aus der Asche, aus den Trümmern heraus. Die Natur pflanzt keine Bäume, sie säht sie. Die Natur kennt keine Eile, sie hat jede Zeit der Welt.

Grossflächige Räumungen wie im Staatswald Densbüren sollten nicht ohne Not gemacht werden. Not kann dann vorliegen, wenn akuter Käferbefall oder akute Instabilität ein schnelles Handeln für sinnvoll erscheinen lassen. Der abgeräumte Weisstannenbestand dürfte, ähnlich der verbliebenen Nachbarbestände, biologisch als auch mechanisch hinreichend stabil gewesen sein. Der  Grund der umstrittenen Massnahmen dürfte eher die Förderung „seltener und wertvoller Baumarten“ sein, welche das Nuturschutzprogramm Wald des Kantons Aargau vorsieht. Zu diesen Baumarten zählen etliche lichtbedürftige Bäume wie der Kirsch- und der Nussbaum. Noch bis Ende dieses Jahres stehen letztere zwei Baumarten auf der Liste der zu fördernden Bäume. Ab 2016 sind sie von der Liste gestrichen. Stattdessen wird sinnvollerweise die Weisstanne gefördert. Eigenartigerweise wurden im Staatswald Zeihen anfangs dieses Jahres ausgerechnet Kirsch- und Nussbäume gepflanzt und richtigerweise vor dem Wild geschützt. Die unterständigen Buchen und Bergahorne aber wurden abgesägt und die vorhandene Weisstannenverjüngung unbeachtet der sengenden Sonne und dem Frass der Rehe überlassen.

Die Äste wurden mit einem Fahrzeug aus der Fläche zu Haufen zusammengeschoben, obwohl eine flächige Befahrung der Waldböden zu den schädlichsten Methoden bei der Holzernte gehört. Dies um eine ungehinderte Pflanzung zu ermöglichen. Inzwischen ist auf der nährstoffreichen Braunerde die Brombeere ins Kraut geschossen. Ein Zeichen, dass Vielfalt hier fehl am Platze ist. Es handelt sich von Natur aus um einen fast reinen Buchenwald mit eingesprengten Tannen und Ahornen. Um dies zu beurteilen, liegt eine Standortskarte vor. Nur am Waldrand, den es in der freien Natur kaum gibt, hätte es lichtbedürftige Arten. Die Konkurrenz von Buche, Tanne und Bergahorn wird derart stark sein, dass zum Erhalt der Kirsch- und Nussbäume, bis zu deren Ernte in ca. 60 Jahren, mit viel Zeit und Geldaufwand ständig gegen die Natur gearbeitet werden muss.

Sinnigerweise hat es im Umkreis von einigen hundert Metern wechselfeuchte Kalkstandorte, welche ein hohes natürliches Angebot an Baumarten und Bodenpflanzen aufweisen. Auf diesen extensiveren Standorten wurde aber seit vielen Jahren keine Hand mehr angelegt. Es kann daher Keller nicht verübelt werden, wenn er argwöhnt, dass hinter den kritisierten, gekünstelten Massnahmen zu Gunsten des Naturschutzes, entweder der Unverstand und/oder die Geldfrage eine zentrale Rolle spielen. Pikanterweise, und letztere These unterstützend, wurde der letzte grosse Hieb im Staatswald Zeihen in den letzten Tagen von 2014 geführt, bevor er an ein anderes Forstrevier, indem flächige Hiebe prinzipiell nicht ausgeführt werden, übergegangen ist.

Noch vor 30 Jahren waren Staatswälder Vorzeigebetriebe. Es gibt sie immer noch, allerdings tendenziell abnehmend. Das neoliberale Gebaren ist offenbar, ausgehend vom Kanton Bern, mit der im Jahre 2002 veröffentlichten Kampfschrift „GALILEO“, über die Kantone Luzern und Schwyz nun auch im Kanton Aargau angekommen. Es wäre Sache des Staates darauf zu achten, dass im Walde eine Verluderung der Sitten verhindert wird. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass der Umgang mit dem Wald mit dem sittlichen Zerfall in der Gesellschaft einhergeht – ein schlechtes Omen?

Birrwil, 5. September 2015

Richard Stocker
Forstingenieur ETH