Jurapark Zwetschgen – oder die Erinnerung an die Landschaft mit den allgegenwärtigen Hauszwetschgen

Fein säuberlich abgepackt und beschildert liegen sie in den Präsentiergestellen der Coop-Filialen im Jurapark Aargau, die Jurapark Zwetschgen. Die fast faustgrossen Früchte sehen eher wie Pflaumen aus und haben einen stolzen Preis. Das Kilo kostet stolze Fr. 6.60 und damit mehr als das Doppelte von Trauben aus südlichen Ländern. Allein der Hinweis auf den Jurapark Aargau rechtfertigt anscheinend diesen Betrag. Die Käufer und Käuferinnen werden veräppelt, weil sie annehmen dürfen, mit dem Erwerb der Saisonfrüchte aus der Region auch etwas für die Landschaft zu tun.

www.jurapark-aargau.ch: „Ein regionaler Naturpark ist ein ländliches Gebiet, das sich durch die Vielfalt seiner Landschaften, seine reiche Biodiversität und den einzigartigen Charakter seiner Kulturgüter auszeichnet. Diese Schätze sind zu erhalten und zu stärken, aber auch für die nachhaltige Entwicklung der Region zu bewirtschaften.“ Mit der Umsetzung dieser „Stärkung“ und der „nachhaltigen Entwicklung“ beschäftigen sich ein umfangreicher Mitarbeiterstab und viele Experten. Ein Produkt dieser Tätigkeit ist die „Gruppenzertifizierung“ von Obstproduzenten und die Belieferung von Grossverteilern mit Zwetschgen.

Hauszwetschgen standen in jedem Garten und auf jedem Bauernhof im ländlichen Aargauer Jura. Sie wuchsen überall an Böschungen, entlang von Grenzen und Gewässern. Im Frühling blühten sie, im Sommer-Herbst trugen sie je nach Jahr und Sorte unterschiedlich viele Früchte, im Winter wurden sie geschnitten und mit einer Winterspritzung vor Schädlingen geschützt. Weiter brauchten sie kaum Pflege. Die Ernte wurde als Tafelzwetschgen verkauft, gedörrt, eingemacht oder zu Schnaps verarbeitet.

Vor etwa 20 Jahren beschlossen die Obstproduzenten, ihre Organisationen und die Grossverteiler, keine Hauszwetschgen mehr zu verkaufen. Das Ziel war ganz einfach zu erreichen, indem die „erforderliche“ Grösse für Tafelzwetschgen so erhöht wurde, dass die Hauszwetschgen dafür zu klein waren. Wer dennoch Früchte verkaufen wollte, bekam nur noch den sehr bescheidenen Preis für Industrie- oder Brennzwetschgen. Das bedeutete den Tod und das Verschwinden von unzähligen Zwetschgen aus der ländlichen Kulturlandschaft.

Ersetzt wurden die Hauszwetschgen durch neue Züchtungen und den plantagenmässigen Anbau in gedeckten Obstanlagen durch „Obstproduzenten“. Die neuen Kreuzungen (z.B. Cacaks Schöne aus Jugoslavien) wurden umfangreichen „Konsumententests“ unterworfen: „Gewünscht wird von den Konsumenten eine aromatische, süsse, saftige und steinlösliche Zwetschge.“ Der Zuckergehalt muss über 13.8 bis 14 §Brix liegen, der Säuregehalt sollte 10 g/L nicht überschreiten und die Fruchtfestigkeit sollte unter 40 Durofel-Einheiten liegen (Schweizerische Zeitschrift Obst-Weinbau, 21/2004, S. 10-13). Ausgerüstet mit diesen Zielvorgaben gingen die Obstproduzenten ans Werk: Behangsreduktion, Qualitätskontrollen, Spritzen, Wahl des Pflückzeitpunktes usw. lassen sich nur noch unter kontrollierten Bedingungen in Plantagen bewerkstelligen.

Mit dem Hochstamm-Obstbaum in der Landschaft lassen sich wegen dieser Vorgaben, die angeblich der Konsument so festgelegt hat, heute nicht einmal mehr bei den Zwetschgen verkaufsfähige Früchte produzieren. Alle, die sich an die Geschmacksvielfalt und die aromatische Güte der eigenen Zwetschgen erinnern, verzichten gerne auf die modernen, normierten Turbo-Zwetschgen, selbst wenn sie aus Plantagen im Jurapark stammen.

Es kann nicht Aufgabe der Verantwortlichen für den Jurapark Aargau sein, mit Steuergeldern und Beiträgen der Gemeinden Verkaufsförderung für Plantagenobst zu betreiben. Es ist nicht einzusehen, was Plantagen zur Qualität der Landschaft, zur „Biodiversität“ und zur „Nachhaltigkeit“ beitragen sollen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, was die modernen Züchtungen und die modernen Produktionsmethoden von global normierten Früchten mit dem „einzigartigen Charakter der Kulturgüter“ im Jurapark Aargau zu tun haben sollen.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Kauf teurer zertifizierten Zwetschgen aus dem Jurapark einen Beitrag an die Erhaltung und Entwicklung der angestammten, regionalen Juralandschaft leistet.